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Sonntag, 17. Januar 2016
Natürlich, ein Frauenzimmer
falko hennig, 16:19h
Freitag, 15. I. 16, Schnee:
(Schreibtisch, 17. I. 16:) T: Spiele Fußball in der Halle, Jochen, es gibt einen neuen Ball, mit dem alle spielen wollen. Eine Lehrerin erklärt, dass die abgeranzte Steckdose unterm Tisch in Betrieb ist wenn wir uns ordentlich benehmen.
Schreibtisch: Physiotherapie, Judith heißt sie, ihr Vater ist 84, bis zu einer bestimmten Schrittfrequenz läuft man unbewusst, danach muss man darüber nachdenken, kann sich nicht mehr gleichzeitig unterhalten und würde dabei stürzen.
Nach 10 an den Hundetext, gegen 11 schicke ich die zweite Fassung ab.
Die Spesen aus Lecce sind immer noch nicht eingetrudelt und entsprechend ist mein Konto jetzt in den Miesen. Diese Zinsen zahlt mir niemand.
Wo ich gerade so im Dschumm bin schicke ich auch gleich die zweite Mahnung an den Audio Verlag raus. Alles nervend, sinnlos und blöd, aber die positive Energie aus dem gestrigen Erholungstempel trägt mich durch den Tag.
Obwohl mir auch heute noch diese Gewitterziege vom Arbeitsamt nachhängt, wünsche ihr von Herzen genauso eine furchtbare Sachbearbeiterin, wenn sie möglichst bald in eine Notlage kommt. Dazu soll sie Durchfall bekommen, beide Arme ab und kein Klopapier.
Mit einer Stunde Verzögerung, nach meinem gestrigen Plan, an Mark Twain. Finde meine eigenen Recherchen zum Fall von Kotze nicht mehr in meinen Aufzeichnungen. Dann doch was:
Berlin 1896
28. März bis 10. April
Die Rechtsanwälte
beim königlichen Landgericht lassen in Potsdam einen Nachruf auf einen Kollegen erscheinen: „Am 26. d. M. ist Herr Rechtsanwalt Ernst Zenker hier durch einen jähen tragischen Tod zu allgemeinen Schmerz dahingerafft worden.“ Das ist vorsichtig ausgedrückt, Zenker ist bei einem Duell getötet worden.
Karfreitag
ist der 3. April. Über dem Kurfürstendamm wälzen sich ungeheure Rauchmassen. In der Joachimsthaler Straße, nicht weit von der Gedächtniskirche, steht ein Dachstuhl in Brand. Die Charlottenburger Feuerwehr hat schwer zu kämpfen, die von Friedenau bringt geringe Hilfe. Angelockt durch den Rauch rasselt die Berliner Wehr heran. Als sie sieht, daß es auf Charlottenburger Gebiet ist, auf dem es brennt, kehrt sie trotz des lichterloh brennenden Hauses wieder um. Der Charlottenburger Feuerwehrwehr gelingt es erst nach vielen Stunden, das Feuer einzudämmen.
In Bliestorf
übt Freiherr v. Schrader Schießen. Er zielt auf eine Scheibe mit einer menschlichen Figur. Zwei Diener müssen die Pistolen laden, während ein anderer die Treffer zählt. Bei Regenwetter schießt v. Schrader aus dem Fenster. Nach dem Abendessen geht er auch noch eine Weile schießen. Von 100 Schüssen hat er durchschnittlich 97 Treffer.
Zwei Duelle
werden demnächst stattfinden, verkünden Hofkreise. Das Duell zwischen Zeremonienmeister v. Kotze und Freiherr v. Schrader hat sich nur verzögert, weil v. Schrader in England war, wo eines seiner Pferde bei einem Rennen lief. Das Duell soll zu den schwersten Bedingungen stattfinden: 10 Schritt Abstand und Kugelwechsel bis zur Kampfunfähigkeit. Bei dem zweiten Duell, das am ersten Osterfeiertag stattfinden soll, will das Journal die Namen der Beteiligten noch nicht nennen.
Besser Schießen
kann Freiherr v. Schrader, er ist ein berühmter Pistolenschütze. Die geringe Distanz von 10 Schritt mache jedoch alles vom Zufall abhängig. "Wir werden beide fallen!" so v. Schrader.
Herr v. Kotze
ist am 9. April bei seinem Schwager v. Tresckow in Friedrichsfelde und übt Schießen.
Ein Tretwagen
aus der Ganswindtschen Werkstatt wird am 10. April bei der Feuerwehr in der Lindenstraße getestet. Branddirektor Giersberg macht zwei Probefahrten und nimmt dabei eine der steilsten Straßen Berlins, die Lichterfelder Straße, mit 7 Grad im Trab. Der Wagen hat also mit sechs ungeübten Leuten die Geschwindigkeit eines Pferdegalopps erreicht.
Das lange angekündigte Duell
zwischen v. Kotze und v. Schrader findet noch am selben Morgen unter besonders schweren Bedingungen auf dem Ravensberg bei Potsdam statt. Die beiden Kontrahenten stehen sich in nur 10 Meter Entfernung gegenüber. Auf das Kommando des Unparteiischen: "Eins, zwei, drei!" wird geschossen. Eine Kugel streift v. Kotzes Anzug. Beim zweiten Schußwechsel wird v. Schrader in den Unterleib getroffen, ins Auguste-Victoria-Hospital nach Potsdam gebracht und operiert. Das Geschoß ist links unter der Lunge eingedrungen und hat wohl den Darm verletzt. V. Kotze fährt mit dem Zug zurück nach Berlin und empfängt in seiner Wohnung die Gratulationen seiner Freunde.
Die Operation,
die Geheimrat v. Bergmann durchführt, ist eine sehr schwierige. Der Darm muß siebenmal genäht werden. V. Schrader muß durch die Chloroform-Narkose brechen, eine neue Lebensgefahr. Die Kugel wird nicht gefunden, sie sitzt unerreichbar in der Wirbelsäule. V. Schrader ist sich über seinen Zustand im klaren: "Ich will kein Krüppel bleiben, ich habe mein Haus bestellt und will sterben!" Er leidet furchtbare Schmerzen, die durch Morphium gemildert werden.
11. bis 24. April
Bei Freiherr v. Schrader,
grad am Vortag von einer Kugel seines Widersachers v. Kotze schwer verwundet, steigern sich am 11. April die Brechanfälle, die Haltbarkeit der Nähte im Darm ist gefährdet. Gegenüber einem Freund sagt er: "Na, wer hat Recht behalten, Sie alter Optimist?!" Er stirbt am Abend an seiner schrecklichen Verletzung. Er war 48 Jahre alt und hinterläßt eine Frau und drei Kinder.
Herr v. Kotze
empfindet keine Genugtuung über seinen Erfolgsschuß. Wer den Ehrenkodex kenne, wisse, daß die Angelegenheit nicht anders beigelegt habe werden können.
Das Wörtchen „von“
hat zu einem umfangreichen Prozeß geführt, der am 13. April in sechster Instanz das Berliner Landgericht beschäftigt. Der Architekt Hacke kämpft für seinen Vater, den Telegraphen-Assistenten v. Hacke, der sein Adelsprädikat schon immer führt. Nach Ansicht des Gerichts müßte dem Angeklagten nachgewiesen werden, daß er den Adel zu Unrecht geführt habe. Es geht dabei darum, ob die Frau des Gendarmerie-Rittmeisters v.
Hacke, der in den 20er Jahren in der Zitadelle von Magdeburg gestorben ist, wirklich mit ihm verheiratet war. Nach manchen alten Akten habe diese Großmutter des Angeklagten nur in wilder Ehe mit jenem v. Hacke zusammengelebt. Jedoch hat sie stets behauptet, im Kloster Paradies bei Meseritz heimlich getraut worden zu sein. In dieser kritischen Zeit jedoch versagt die Zuverlässigkeit der Kirchenbücher und so kann diese Heirat nicht wiederlegt werden und v. Hacke wird freigesprochen. Die Berufung des Staatsanwaltes, die die siebente in diesem Prozeß wäre, wird verworfen.
Die Leiche v. Schraders
soll in der Garnisonkirche in Potsdam aufgebahrt werden, jedoch gibt der Kaiser dazu sein Einverständnis nicht. So findet die Trauerfeier am 15. April in der Kapelle des städtischen Kirchhofes statt.
Ein automatisches Restaurant
wird auf der Gewerbeausstellung getestet werden. Das Gebäude faßt 2000 Personen und alles geschieht elektrisch. Rings um die Küche sind 20 große Speiseautomaten aufgestellt, hinter deren Glaskästen warme noch dampfende Fleischspeisen zur Verfügung stehen. Eingeworfen werden müssen Münzen von 50 Pfennig bis zu einer Mark. Jede Speise steht auf einer geheizten Wärmplatte. Auch das Bier wird durch selbsttätige Hähne verzapft. Eine elektrische Musikkapelle spielt Straußsche Walzer, der elektrische Dirigent brauch keine Pause.
12. bis 25. September
Der populärer Komiker Otto Reuter
tritt am 13. September im Apollo-Theater wieder mit aktuellen zündenden Kuplets auf. Seine Urwüchsigkeit und Schlagfertigkeit rufen schallende Heiterkeit hervor.
Freiherr v. Kotze
wird auf seinen Wunsch vom Kaiser des Amts eines Ceremonienmeisters „in Gnaden“ enthoben.
Kanalisiert
wird derzeit in der Parochialstraße, dazu ist auch auf dem Gelände, das früher zum Friedhof gehörte, ein tiefer Graben gezogen. Einem Fußgänger fallen beim Überqueren der Straße eine Menge menschlicher Gebeine auf. Beim Einbiegen in die Waisenstraße sieht er einen Haufen Kinder, die mit einem Schädel Fußball spielen.
20 vor 1 gönne ich mir, trotz der widrigen ökonomischen Verhältnisse, eine Mittagspause in der Kantine der Volksbühne.
Dort Serbische Bohnensuppe, kaufe zwei der letzten Karten für den 11. Februar im Roten Salon und kehre erstmalig in dem neuen Café Zehdenicker-/Christinenstraße ein, das sich als Ableger des Oberholz herausstellt. Der doppelte Espresso ist aber nicht so doll. Lese FAZ, Flüchtlinge und Terror.
Herr Schmidt sagt wiederum ab, diesmal immerhin vor dem Termin.
Bei mir in der Post kann ich meinen bisher größten Erfolg des Jahres konstatieren: Die KSK hat meinen Ausschluss rückgängig gemacht. Darauf einen alkoholfreien Sekt!
An den Gutmenschen kurz nach halb 3 zur "Kunst der Fuge". David: "Lieber Gutmensch genannt werden als Arschloch sein."
Gegen halb 4 ergreift mich eine große Müdigkeit und ich lege ein Nickerchen ein.
Diesmal erscheint Herr Schmidt fast pünktlich, Treffen war sinnvoll denn der persönliche Eindruck ist nicht ganz so negativ wie der persönliche. Der Mann kommt als Bewohner in Frage. Eher schlichten Gemüts, aber kein Betrüger.
Überhaupt kommt meine der Not geschuldete Wohnungsvermietung in Fahrt, für Ende Februar gibts eine Anfrage über Air B'n'B und so gestaltet sich meine Ökonomie etwas sanfter.
Kurz nach 5 telefoniere ich mit Kurt Scheel, dem Erfinder des Wortes Gutmensch. Tonqualität ist lausig, aber immerhin verständlich.
Das blutige Messer von Herrn Scheel
Falko Hennig: Wie finden Sie das Theater um die Wahl zum Unwort des Jahres?
Kurt Scheel: Auch wenn das Wort Gutmensch gewählt wird, diese ganze Unwort-Wahl-Geschichte ist eine reine, schlechte PR-Veranstaltung und insofern ärgerlich, weil sie vor-aufklärerisch ist und so tut, als gäbe es böse Wörter. Dabei sind das alles Sprachwissenschaftler, die es von Berufs wegen besser wissen. [Hausaufgaben!...]
Das sind kindliche und lächerliche Konstruktionen von diesen Leuten, weil sie einfach geil darauf sind, damit einmal im Jahr in die Nachrichten und ins Fernsehen zu kommen.
Deshalb ist diese ganze Verfahren zum Unwort des Jahres eine anti-aufklärerische Sache. Dass es dieses Jahr den Gutmenschen getroffen hat, hat mich natürlich gefreut.
(Schreibtisch, 16. I. 16:) Gutmensch war schon vor ein paar Jahren als zweiter Sieger dabei. Man könnte darüber nachdenken, wieso so ein Wort so eine unglaubliche Karriere gemacht hat. Es muss so etwas wie ein soziales Faktum des Gutmenschentums geben. Aber es mit dieser PR-Geschichte "Unwort des Jahres" zu verbinden, ist eigentlich unwürdig.
Trifft die Bezeichnung Gutmenschen vielleicht die Jury selber?
Ich habe am Dienstag beim RBB einen kleinen Dreiminutenkommentar zu diesem Gutmenschenkram gemacht und da war das genau meine Pointe. Sie entlarven sich selber als das, was sie zu stigmatisieren vorgeben, nämlich als naive, dümmliche Gutmenschen.
Wobei die Kritik sich ja gegen die Rechten richtet, die das Wort benutzen.
Ja, ich benutze das Wort seit vielen Jahren nicht mehr, weil mir das unangenehm wäre, mit so einem Wort, das von links kam und auch am Anfang so wahrgenommen wurde, ...
Der dezidiert linke Tiamat Verlag von Klaus Bittermann hat zwei Sammelbände dazu herausgebracht, ich habe mich auch selber immer als linksliberal bezeichnet, dieses Wort ist tatsächlich irgendwann Ende der 90er Jahre erkennbar von der Rechten gekapert worden.
Mir ist das zum ersten mal sehr unangenehm aufgefallen, als die Freiheitlichen in Österreich, Haider und Konsorten, die haben das Wort erkennbar strategisch benutzt, um die politischen Gegner damit zu verhöhnen. So war das von mir nicht gedacht.
Ich habe sogar zwei Artikel in der Frankfurter Rundschau veröffentlicht, in denen ich in scherzhafter Form darauf hinwies, dass ich diejenigen, die dieses Wort in diesem nicht von mir gedachten Sinne benutzen, zu Regresszahlung verdonnern lasse.
Seit ungefähr 15 Jahren wird das Wort vorwiegend von rechts gegen links oder liberal benutzt. Und seitdem werde ich meiner Erfindung nicht mehr so richtig froh.
Aber es bleibt dabei, es muss etwas geben, was durch dieses Wort getroffen wird und auch Trefferwirkung zeigt.
Wer hat das Wort Gutmensch erfunden?
Das ist einfach zu beantworten und das ist auch nie widerlegt worden: Das habe ich erfunden. Ich habe das lang und breit in meinem Abschiedsbeitrag im "Merkur" geschildert.
Karl-Heinz Bohrer hat einen Artikel geschrieben, darin schrieb er man sollte daran denken, ein "Wörterbuch des guten Menschen" zu verfassen, in dem bestimmte angesagte Begriffe und moralisierende Termini wie "Querdenker" und "eigensinnig" kritisch behandelt würden. Vorbild war das "Wörterbuch der Gemeinplätze" von Flaubert.
Bei Bohrer stand "Wörterbuch des guten Menschen", die Inspiration kommt von Nietzsche. Mir fiel ein: Wenn man das zusammenzieht zu dem Wort Gutmensch, klingt das irgendwie spöttischer und gemeiner.
Ich habe seine Manuskripte immer redigiert, das verändert und ihm vorgelegt. Er war übrigens nicht sehr happy darüber, aber ich konnte ihn dann bereden, so dass er sagte:
"Okay, wenn Du meinst, dann machen wir eben Wörterbuch des Gutmenschen." Mit dem Januarheft des "Merkur" 1992 war das Wort in der Welt, das war meine Tat, ich war dabei.
Es ist über den Kreis der Merkur-Leser hinaus gegangen, ein paar Schlauköpfe haben das gleich mitgekriegt. Es ist von Klaus Bittermann und Gerhard Henschel im Merkur gesehen worden und die dachten: Das ist eine wunderbare Idee, das machen wir jetzt mal!
Sie haben zwei dicke Bände "Wörterbuch des Gutmenschen" Band 1 und 2 herausgebracht. [Im ersten Querdenker] Die haben sich sehr gut verkauft und so ist das Wort tatsächlich in die Massen eingedrungen und wurde vielfach benutzt. Am Anfang von linker Seite, fünf bis acht Jahre später hat die eigentlich ja erfreulich dumme Rechte irgendwas bemerkt und hat es aufgegriffen.
Was halten Sie von dem Satz: Lieber Gutmensch genannt werden als Arschloch sein?
Das ist in jedem Fall richtig. In meinem Beitrag für den Rundfunk habe ich angemerkt, dass sich so viele Leute den Schuh anziehen, wenn sie als Gutmensch attackiert werden.
Leute, die Flüchtlingen helfen, die etwas tun und nicht nur geil darauf sind, in der Öffentlichkeit zu stehen, das sind keine Gutmenschen. Das sind gute Menschen! Das Wort Gutmensch wurde von mir erfunden, um die guten Menschen von den Wichtigtuern und öffentlichkeitsgeilen Medienleuten unterscheiden zu können.
Wenn mich jemand Gutmensch nennt, würde ich sagen: Bin ich nicht. Wenn mich jemand als guten Menschen bezeichnet, habe ich nichts dagegen. Die genannten Angeber und Wichtigtuer darf man ruhig Gutmensch nennen. Da muss sich keiner von den guten Menschen auf den Schlips getreten fühlen.
Klingt nach einem perfekten Schlusswort. Im Internet steht ja: Kurt Scheel reklamiert für sich...
Ich habe den Leuten von der Gesellschaft für deutsche Sprache schon vor 15 Jahren geschrieben, von Reklamieren könne gar keine Rede sein, sondern so sei es gewesen. Ich habe es ihnen geschildert und gesagt, ich würde sofort von meiner Geschichte zurücktreten, wenn sie mir ein Beispiel bringen könnten, dass das Wort von jemand anderem vorher benutzt worden sei.
Daraufhin schrieben sie zurück: Ja, das könnten sie, unter dem Stichwort Gutmensch hätten sie einen Eintrag, dass in den 80er Jahren in der amerikanischen Wirtschaftszeitschrift "Forbes" das Wort Gutmensch auftaucht. Das klingt ja so ungeheuer irre, dass ich wirklich erst dachte, die verarschen mich.
Dann bat ich sie um eine Kopie dieses Artikels oder der Passage aus dem Magazin "Forbes". Darauf schrieben sie zurück, sie hätten den Artikel nicht, nur die Mitteilung, dass dem so sei. Sie konnten das überhaupt nicht nachweisen! Im übrigen, schrieben sie weiter, ich solle mich nicht so haben, sie hätten meinen Namen doch erwähnt.
Die haben das für eine einfache Wichtigtuerei von mir gehalten. Die werden von öffentlichen Geldern finanziert. Sie wollten verbergen, dass sie einfach kaltblütig gelogen haben. Sie können das nicht nachweisen!
Wir haben das blutige Messer mit den Fingerabdrücken von Herrn Scheel. Dann sage ich: Zeigt es uns! Nee, wir haben nur eine Karteikarte, auf der steht, dass wir das blutige Messer haben. Das Messer haben wir leider nicht. (lacht) Ist das nicht irre?
Ich bin froh, dass ich zumindest im kleinen Rahmen der Berliner Zeitung der Wahrheit zum Siege verhelfen kann.
Nein, das kann man nicht. Ich verfolge das nun seit mehr als 20 Jahren. Ich habe selber an vielen Stellen von der taz über die Frankfurter Rundschau und Die Zeit und im Merkur die Geschichte ausführlich erzählt. Ich habe eine Menge Leute, die behauptet haben, das Wort sei schon früher aufgetaucht, bei Goebbels und so, angeschrieben und sie gefragt, wo das steht und wo sie das her haben. Ich habe nie eine überzeugende Antwort bekommen.
Das bewirkt dann nur, dass irgendwo steht: "Scheel deklariert sich zum Schöpfer", oder "Scheel reklamiert die Urheberschaft". Dass nachweisbar falsche Geschichten erzählt werden, liegt auch daran, dass sich die Sprachwissenschaft nicht gerne vorstellt, dass Neologismen von einer Person erfunden werden. Das ist auch nicht die Regel, normalerweise sind das andere Prozesse. [Fellini...]
Durchdringen kann man in diesem Fall nicht mit der Wahrheit, die eigentlich ganz einfach ist.
Wie steht es mit den Belegen aus dem 19. Jahrhundert?
In einem Artikel in "Der Welt" wurde die pädagogische Schrift "Briefe an eine Jungfrau über die Hauptgegenstände der Ästhetik" von Christian Oeser von 1859 genannt, ich habe mir das Buch für teuer Geld antiquarisch besorgt und es von vorn bis hinten gelesen, aber ich habe es nicht gefunden, es tut mir leid.
Ich würde 1000 Euro wetten, dass der Journalist, es ist einer der besseren, nicht verifiziert hat. Das hat ihm irgendein befreundeter Germanist erzählt, ja, das habe er da.
1000 Euro für den, der mir das Wort Gutmensch in einem Buch aus dem 19. Jahrhundert zeigt.
Ich hätte es für möglich gehalten.
Es gibt bisher keinen Beleg, dass das Wort vor 1992 irgendwo in gedruckter Form auftaucht. Ein Beleg wäre für mich ein überzeugender Beweis und ich würde sofort die Schnauze halten. Das hat noch keiner gezeigt, einer schreibt vom andern ab. Dass die Gesellschaft für deutsche Sprache die Frechheit hat, zu sagen, sie könnten das nicht belegen, aber ich sollte es ihnen glauben. Das sind Wissenschaftler! Nochmal: Öffentliche Gelder! Und die sagen: Unsere Arbeit machen? Wir sind doch nicht verrückt!
Eigentlich ist das ein kleiner Skandal, aber egal. Ich habe mich immer bemüht, nicht zu ärgerlich zu werden. Ich nehme das zur Kenntnis und versuche, es mir wegzugrinsen.
Das ist die richtige Einstellung und es gibt bestimmt eine ausgleichende Gerechtigkeit.
Die Gesellschaft für deutsche Sprache hatte Schiss, sich vor mir lächerlich zu machen. Es hätte sie ja nichts gekostet zu mir zu sagen: Entschuldigung, hier haben wir schlampig gearbeitet, tut uns leid! Wir formulieren das anders um. Aber nee, die dachten wohl: Dieser Fuzzi vom Merkur spielt sich auf, macht hier den dicken Max, dem werden wir mal schön Bescheid sagen, wer hier das Sagen hat!
Wer die Sprache bestimmt, das bestimmt die Gesellschaft für deutsche Sprache.
Es ist komisch, dass das in einer Demokratie möglich ist. Wenn ich einen Sekretär hätte, dem würde ich sagen: Okay, und wenn es einen Monat dauert, flieg nach New York und geh in die Bibliothek und kopiere das Forbes Magazin!
Danke für die besten Auskünfte zum Thema, die man ohne Bargeld bekommen kann.
Es ist ungefähr so, als würden Sie den lieben Gott fragen: Wie wars eigentlich genau am dritten Tag der Schöpfung? Da ist Gott ein guter Ansprechpartner.
Scheel hat überall nachgeschlagen, sich die jeweils angeführten Werke gekauft, nirgends ließ sich das Wort "Gutmensch" finden. Inzwischen hat er eine Belohnung von € 1000,- ausgesetzt für einen Beleg für das Wort vor 1992.
Es wäre sehr überraschend, wenn sich dieses Geld jemand verdienen kann.
Sofa: Scheel musste den Autor mühsam überzeugen, dass die Verkürzung Gutmensch noch prägnanter sei.
Denn die Scherzidee des Wörterbuchs... wurde im Verlag Tiamat Wirklichkeit...
Lisa trifft zuerst ein, das erste mal seit Irland sieht sie bei mir fern, also nach einem Dreivierteljahr.
Abendessen mit den Goldtöchtern ist bescheiden, Reis mit Soße.
(Schreibtisch, 17. I. 16:) Auf dem Küchentisch kommt das Schmelfeuer Indoor zum Einsatz, das ich hier in der Lottum gefunden habe:
"Der Schmelztigel erinnert an alte Tiegelformen, klassisch, klar und gleichzietig zweckbetont. Der Alu-Brenner steht in einer eingearbeiten Vertiefung mit Keramiktiegel. In seinem Inneren befindet sich ein mit Messingdraht umwickeltes, längsgerichtetes Glasfaserbündel, das als Dauerdocht dient. Dieser Docht verbrennt nicht und dient an den Spitzen als Katalysator zur Wachsverbrennung."
Sofa: Kucken "Dune - Der Wüstenplanet" (USA 1984), wie lange haben wir das nicht mehr gemacht, einfach zusammen einen Film kucken? Von der Hülle der hier in der Lottum gefundenen DVD hatte ich unerträglichen Schund erwartet, es ist aber eher ein Klassiker des Genres von David Lynch und für ihn recht stringent. Es geht um die bewusstseinserweiternde Droge Spice, mit der man durch Raumfaltung auch mit Überlichtgeschwindigkeit durchs All reisen kann. Aliens mit Augenbrauen wie Martin Walser, Kapitän Picard, Jürgen Prochnow und Sting spielen mit.
nachmagazin über das Schwimmbadverbot gegen Flüchtlinge bei Bonn. Flüchtlinge, Flüchtlinge, Flüchtlinge. Der Landshuter Landrat mit seiner Flüchtlingsfahrt nach Berlin.
Die bösen Nordafrikaner in Köln.
Der Krieg in der Ukraine und die traumatisierten Soldaten, Pizza Veterano.
Schlechte Stimmung bei der Grünen Woche, Milchbauern machen dicht.
Geiselnahme in Ouagadougou.
Samstag, 16. I. 16, grau:
Natürlich, ein Frauenzimmer
(Schreibtisch, 17. I. 16:) T: Auf Hiddensee, zu einer Insel mit Hubschrauber, versuche, jemandem zu erklären, dass die Vorsilbe Kilo- "viel" bedeutet wie bei Kilometer oder Kilogramm. Auf 1000 komme ich erst später.
Bemerkenswert an Hiddensee ist, dass es eine Verbindung zum Zauberberg gibt, die Peeperkorn-Affäre.
Zum ersten mal in diesem Jahr tippe ich die Schrift des Tages aus dem Typodarium in die Ewigkeit: Es ist die Basil von Vassil Kateliev von 2014, eine sowohl traditionelle als auch innovative Antiqua. Ein Arbeitspferd, also eine Brotschrift.
Seit etlichen Jahren zum ersten Mal bin ich bei einem Arbeitseinsatz unseres Hauses dabei. Leider ist das Ziel nicht in meinem Sinne, die schöne Grünpflanze am Gitter meines französischen Fensters ist, meiner Meinung nach zu Unrecht, als Hauszerstörerin zum Tode verurteilt.
Schreibtisch: Sozial ist der Subbotnik ein großer Erfolg, ökologisch bin ich skeptisch. Wir killen den Efeu an der hinteren Hauswand, seit 1997 durfte er wachsen, nur wird er abgeholzt.
Stuckrad-Barre geht ins Hinterhaus, wen er da wohl besucht?
Gegen 11 am Rechner, weiter ans Abtippen des gestrigen Interviews.
Zwischendurch Reis mit verschiedenen Resten mit Sib.
Bis gegen 6 am Gutmenschen, dann ist der erste Entwurf fertig.
Telefonat mit Mutti, sie fliegt Ende Februar nach Kuba. So ein Rentenleben werde ich nicht haben. Andererseits hat sie auch noch den Krieg erlebt.
Zu Kurt in die Dunckerstraße 4, am Haus hängt eine Gedenktafel, die an Klaus Schlesinger erinnert, der hier aufgewachsen ist.
Aus "Der Sache mit Randow":
"Ich rede nicht von einer beliebigen Straße, ich rede von der Duncker. Natürlich muß ich, wenn ich von der Duncker rede, auch von anderen Straßen reden; etwa von der Bernauer, die man über die Danziger, die jetzt Dimitroff heißt, und die Eberswalder erreicht und deren südliche Seite zum Osten, deren nördliche zum Westen gehörte. Ich weiß nicht, wie oft wir durch die Bernauer gegangen sind, natürlich nicht öfter als durch die Duncker, aber sicherlich öfter als durch die Schliemann, die quasi um die Ecke lag. Die Bernauer war für uns so etwas wie das Tor zur Welt, zu einer anderen Welt genau genommen, denn selbstverständlich blieb die Duncker für uns der Mittelpunkt des Lebens schlechthin."
In seinen letzten Jahren wohnte er in der Umgebung der Lottum-, gelegentlich sah ich ihn auf der Straße, meist in weiblicher Begleitung. Heidi fand, dass ich genauso gehe wie er.
Jörk, Silvia, Sib und ich sitzen bei Kurt in der recht kalten Wohnung beisammen, Sekt, Weißwein, Schnaps, ich Wasser. Unterhalten uns über Moral und "Nackt unter Wölfen", recht systematisch gibt sich das Geburtstagskind die Kante.
Wer was macht und wo ist, der ist mit dem Geld seines Dealers und vor der Bundeswehr abgehauen und ward nicht mehr gesehen.
Beim Ansehen alter Fotos, unter anderem auch von "Auf hoher See" im Bergwerk circa 1997 und von der Reformbühne mit Uwe Hassel-Jahnkow im Publikum, Idee zu einer Andersrum-Party.
Meine Liebste schläft kurz nach Mitternacht, auf Vinyl läuft aus "Der Kunst der Fuge" vom Kurpfälischen Kammerorchester Contrapunctus 11, a4, Canon alla Ottava, Canon alla Duodecima in Contrapuncto alla Quinta, Canon alla Desima. Contrapuncto alla Terza und Canon per Augmentationem in Contrario Motu.
Angemessenes Geräusch für "Natürlich, ein Frauenzimmer":
Das Gong ertönt nach Castorps schwerem, von seinem Herzrasen peinlich belebten Halbschlummer. Beim Mittagessen berichtet die dümmliche Frau Stöhr von ihrer vormittäglichen Untersuchung "indem sie sich auf ungeblidete Weise zierte und die Oberlippen von ihren Hasenzähnen zurückzog."
Es wird opulent mit abscheulichem Appetit gegessen.
Eine Frau knallt die Glastür mit einer Hand "nicht so gepflegt und veredelt, wie Frauenhände in des jungen Hans Castorp gesellschaftlicher Sphäre zu sein pflegten."
Würde meinen, es müsse "Castorps" heißen, so wie "der Gong".
Blumenkohl muss sich mit dem Blauen Heinrich besprechen, sagt die Stöhr mit Genugtuung. Ich hätte einen besonderen Ausdruck für Lokus vermutet, aber es handelt sich um den 1889 von Peter Dettweiler erfundenen kobaltblauen Spucknapf, den Castorp schon auf der Fahrt zum Sanatorium sehen konnte, eine "flache, geschweifte Flasche aus blauem Glase mit einem Metallverschluß“ Joachim versteckt sie gleich wieder: "Es hat auch einen Namen bei uns, so einen Spitznamen, ganz fidel.“
Im Zimmer spuckt Castorp Blut.
Sonntag, 17. I. 16, Schnee:
Schreibtisch: T: Mit den Autoren zum Fußball in Afrika, kommen in ein Camp und haben einen Riesenhunger, aber es gibt nichts zu essen außer einigen Früchten. Zum Quartier müssen wir durch verschiedene Räume und die Küche. Ich relativiere das Ungemach: Wenn man in Afrika Fußball spielen möchte, dann muss man viel Zeit investieren, wie oft ich gewartet hätte, bis es mal klappte. Bin in Rangsdorf allein in Grünigs Haus, suche im Zimmer von Frauke nach Adressen von Restaurants. Höre jemanden und rufe, um niemanden zu überraschen "Hallo!", aber Vati ist zu Tode erschrocken, ich entschuldige mich und sage erleichtert, dass er zum Glück nicht umgefallen ist. Bärbel gibt mir Ratschläge zu den Restaurants, in dem zum Beispiel spreche man nur englisch. Mit Mutti an einem Straßentisch vor einem Restaurant in Berlin, habe einen Stadtplan ausgebreitetet, er ist riesig. Windstöße, ich sage: "Ob ich es wohl schaffe, ihn noch zusammenzufalten?" Ich muss ihn vor den Böen schützen. Einige Seiten sind schon stark abgerubbelt, dann schaffe ich es, ihn wieder in die handliche Form zu bringen.
Planen am Frühstückstisch eine Andersrum-Party für den 2. April.
Nutze den Tag des Herrn zur weiteren Vorbereitung der nächsten Sendung. Nach 12 ans Zusammenschneiden des letzten klingenden Rätsels für die Auflösung im nächsten.
Angenehm die freie Zeit, kann endlich wieder an meinen Blog.
(Schreibtisch, 17. I. 16:) T: Spiele Fußball in der Halle, Jochen, es gibt einen neuen Ball, mit dem alle spielen wollen. Eine Lehrerin erklärt, dass die abgeranzte Steckdose unterm Tisch in Betrieb ist wenn wir uns ordentlich benehmen.
Schreibtisch: Physiotherapie, Judith heißt sie, ihr Vater ist 84, bis zu einer bestimmten Schrittfrequenz läuft man unbewusst, danach muss man darüber nachdenken, kann sich nicht mehr gleichzeitig unterhalten und würde dabei stürzen.
Nach 10 an den Hundetext, gegen 11 schicke ich die zweite Fassung ab.
Die Spesen aus Lecce sind immer noch nicht eingetrudelt und entsprechend ist mein Konto jetzt in den Miesen. Diese Zinsen zahlt mir niemand.
Wo ich gerade so im Dschumm bin schicke ich auch gleich die zweite Mahnung an den Audio Verlag raus. Alles nervend, sinnlos und blöd, aber die positive Energie aus dem gestrigen Erholungstempel trägt mich durch den Tag.
Obwohl mir auch heute noch diese Gewitterziege vom Arbeitsamt nachhängt, wünsche ihr von Herzen genauso eine furchtbare Sachbearbeiterin, wenn sie möglichst bald in eine Notlage kommt. Dazu soll sie Durchfall bekommen, beide Arme ab und kein Klopapier.
Mit einer Stunde Verzögerung, nach meinem gestrigen Plan, an Mark Twain. Finde meine eigenen Recherchen zum Fall von Kotze nicht mehr in meinen Aufzeichnungen. Dann doch was:
Berlin 1896
28. März bis 10. April
Die Rechtsanwälte
beim königlichen Landgericht lassen in Potsdam einen Nachruf auf einen Kollegen erscheinen: „Am 26. d. M. ist Herr Rechtsanwalt Ernst Zenker hier durch einen jähen tragischen Tod zu allgemeinen Schmerz dahingerafft worden.“ Das ist vorsichtig ausgedrückt, Zenker ist bei einem Duell getötet worden.
Karfreitag
ist der 3. April. Über dem Kurfürstendamm wälzen sich ungeheure Rauchmassen. In der Joachimsthaler Straße, nicht weit von der Gedächtniskirche, steht ein Dachstuhl in Brand. Die Charlottenburger Feuerwehr hat schwer zu kämpfen, die von Friedenau bringt geringe Hilfe. Angelockt durch den Rauch rasselt die Berliner Wehr heran. Als sie sieht, daß es auf Charlottenburger Gebiet ist, auf dem es brennt, kehrt sie trotz des lichterloh brennenden Hauses wieder um. Der Charlottenburger Feuerwehrwehr gelingt es erst nach vielen Stunden, das Feuer einzudämmen.
In Bliestorf
übt Freiherr v. Schrader Schießen. Er zielt auf eine Scheibe mit einer menschlichen Figur. Zwei Diener müssen die Pistolen laden, während ein anderer die Treffer zählt. Bei Regenwetter schießt v. Schrader aus dem Fenster. Nach dem Abendessen geht er auch noch eine Weile schießen. Von 100 Schüssen hat er durchschnittlich 97 Treffer.
Zwei Duelle
werden demnächst stattfinden, verkünden Hofkreise. Das Duell zwischen Zeremonienmeister v. Kotze und Freiherr v. Schrader hat sich nur verzögert, weil v. Schrader in England war, wo eines seiner Pferde bei einem Rennen lief. Das Duell soll zu den schwersten Bedingungen stattfinden: 10 Schritt Abstand und Kugelwechsel bis zur Kampfunfähigkeit. Bei dem zweiten Duell, das am ersten Osterfeiertag stattfinden soll, will das Journal die Namen der Beteiligten noch nicht nennen.
Besser Schießen
kann Freiherr v. Schrader, er ist ein berühmter Pistolenschütze. Die geringe Distanz von 10 Schritt mache jedoch alles vom Zufall abhängig. "Wir werden beide fallen!" so v. Schrader.
Herr v. Kotze
ist am 9. April bei seinem Schwager v. Tresckow in Friedrichsfelde und übt Schießen.
Ein Tretwagen
aus der Ganswindtschen Werkstatt wird am 10. April bei der Feuerwehr in der Lindenstraße getestet. Branddirektor Giersberg macht zwei Probefahrten und nimmt dabei eine der steilsten Straßen Berlins, die Lichterfelder Straße, mit 7 Grad im Trab. Der Wagen hat also mit sechs ungeübten Leuten die Geschwindigkeit eines Pferdegalopps erreicht.
Das lange angekündigte Duell
zwischen v. Kotze und v. Schrader findet noch am selben Morgen unter besonders schweren Bedingungen auf dem Ravensberg bei Potsdam statt. Die beiden Kontrahenten stehen sich in nur 10 Meter Entfernung gegenüber. Auf das Kommando des Unparteiischen: "Eins, zwei, drei!" wird geschossen. Eine Kugel streift v. Kotzes Anzug. Beim zweiten Schußwechsel wird v. Schrader in den Unterleib getroffen, ins Auguste-Victoria-Hospital nach Potsdam gebracht und operiert. Das Geschoß ist links unter der Lunge eingedrungen und hat wohl den Darm verletzt. V. Kotze fährt mit dem Zug zurück nach Berlin und empfängt in seiner Wohnung die Gratulationen seiner Freunde.
Die Operation,
die Geheimrat v. Bergmann durchführt, ist eine sehr schwierige. Der Darm muß siebenmal genäht werden. V. Schrader muß durch die Chloroform-Narkose brechen, eine neue Lebensgefahr. Die Kugel wird nicht gefunden, sie sitzt unerreichbar in der Wirbelsäule. V. Schrader ist sich über seinen Zustand im klaren: "Ich will kein Krüppel bleiben, ich habe mein Haus bestellt und will sterben!" Er leidet furchtbare Schmerzen, die durch Morphium gemildert werden.
11. bis 24. April
Bei Freiherr v. Schrader,
grad am Vortag von einer Kugel seines Widersachers v. Kotze schwer verwundet, steigern sich am 11. April die Brechanfälle, die Haltbarkeit der Nähte im Darm ist gefährdet. Gegenüber einem Freund sagt er: "Na, wer hat Recht behalten, Sie alter Optimist?!" Er stirbt am Abend an seiner schrecklichen Verletzung. Er war 48 Jahre alt und hinterläßt eine Frau und drei Kinder.
Herr v. Kotze
empfindet keine Genugtuung über seinen Erfolgsschuß. Wer den Ehrenkodex kenne, wisse, daß die Angelegenheit nicht anders beigelegt habe werden können.
Das Wörtchen „von“
hat zu einem umfangreichen Prozeß geführt, der am 13. April in sechster Instanz das Berliner Landgericht beschäftigt. Der Architekt Hacke kämpft für seinen Vater, den Telegraphen-Assistenten v. Hacke, der sein Adelsprädikat schon immer führt. Nach Ansicht des Gerichts müßte dem Angeklagten nachgewiesen werden, daß er den Adel zu Unrecht geführt habe. Es geht dabei darum, ob die Frau des Gendarmerie-Rittmeisters v.
Hacke, der in den 20er Jahren in der Zitadelle von Magdeburg gestorben ist, wirklich mit ihm verheiratet war. Nach manchen alten Akten habe diese Großmutter des Angeklagten nur in wilder Ehe mit jenem v. Hacke zusammengelebt. Jedoch hat sie stets behauptet, im Kloster Paradies bei Meseritz heimlich getraut worden zu sein. In dieser kritischen Zeit jedoch versagt die Zuverlässigkeit der Kirchenbücher und so kann diese Heirat nicht wiederlegt werden und v. Hacke wird freigesprochen. Die Berufung des Staatsanwaltes, die die siebente in diesem Prozeß wäre, wird verworfen.
Die Leiche v. Schraders
soll in der Garnisonkirche in Potsdam aufgebahrt werden, jedoch gibt der Kaiser dazu sein Einverständnis nicht. So findet die Trauerfeier am 15. April in der Kapelle des städtischen Kirchhofes statt.
Ein automatisches Restaurant
wird auf der Gewerbeausstellung getestet werden. Das Gebäude faßt 2000 Personen und alles geschieht elektrisch. Rings um die Küche sind 20 große Speiseautomaten aufgestellt, hinter deren Glaskästen warme noch dampfende Fleischspeisen zur Verfügung stehen. Eingeworfen werden müssen Münzen von 50 Pfennig bis zu einer Mark. Jede Speise steht auf einer geheizten Wärmplatte. Auch das Bier wird durch selbsttätige Hähne verzapft. Eine elektrische Musikkapelle spielt Straußsche Walzer, der elektrische Dirigent brauch keine Pause.
12. bis 25. September
Der populärer Komiker Otto Reuter
tritt am 13. September im Apollo-Theater wieder mit aktuellen zündenden Kuplets auf. Seine Urwüchsigkeit und Schlagfertigkeit rufen schallende Heiterkeit hervor.
Freiherr v. Kotze
wird auf seinen Wunsch vom Kaiser des Amts eines Ceremonienmeisters „in Gnaden“ enthoben.
Kanalisiert
wird derzeit in der Parochialstraße, dazu ist auch auf dem Gelände, das früher zum Friedhof gehörte, ein tiefer Graben gezogen. Einem Fußgänger fallen beim Überqueren der Straße eine Menge menschlicher Gebeine auf. Beim Einbiegen in die Waisenstraße sieht er einen Haufen Kinder, die mit einem Schädel Fußball spielen.
20 vor 1 gönne ich mir, trotz der widrigen ökonomischen Verhältnisse, eine Mittagspause in der Kantine der Volksbühne.
Dort Serbische Bohnensuppe, kaufe zwei der letzten Karten für den 11. Februar im Roten Salon und kehre erstmalig in dem neuen Café Zehdenicker-/Christinenstraße ein, das sich als Ableger des Oberholz herausstellt. Der doppelte Espresso ist aber nicht so doll. Lese FAZ, Flüchtlinge und Terror.
Herr Schmidt sagt wiederum ab, diesmal immerhin vor dem Termin.
Bei mir in der Post kann ich meinen bisher größten Erfolg des Jahres konstatieren: Die KSK hat meinen Ausschluss rückgängig gemacht. Darauf einen alkoholfreien Sekt!
An den Gutmenschen kurz nach halb 3 zur "Kunst der Fuge". David: "Lieber Gutmensch genannt werden als Arschloch sein."
Gegen halb 4 ergreift mich eine große Müdigkeit und ich lege ein Nickerchen ein.
Diesmal erscheint Herr Schmidt fast pünktlich, Treffen war sinnvoll denn der persönliche Eindruck ist nicht ganz so negativ wie der persönliche. Der Mann kommt als Bewohner in Frage. Eher schlichten Gemüts, aber kein Betrüger.
Überhaupt kommt meine der Not geschuldete Wohnungsvermietung in Fahrt, für Ende Februar gibts eine Anfrage über Air B'n'B und so gestaltet sich meine Ökonomie etwas sanfter.
Kurz nach 5 telefoniere ich mit Kurt Scheel, dem Erfinder des Wortes Gutmensch. Tonqualität ist lausig, aber immerhin verständlich.
Das blutige Messer von Herrn Scheel
Falko Hennig: Wie finden Sie das Theater um die Wahl zum Unwort des Jahres?
Kurt Scheel: Auch wenn das Wort Gutmensch gewählt wird, diese ganze Unwort-Wahl-Geschichte ist eine reine, schlechte PR-Veranstaltung und insofern ärgerlich, weil sie vor-aufklärerisch ist und so tut, als gäbe es böse Wörter. Dabei sind das alles Sprachwissenschaftler, die es von Berufs wegen besser wissen. [Hausaufgaben!...]
Das sind kindliche und lächerliche Konstruktionen von diesen Leuten, weil sie einfach geil darauf sind, damit einmal im Jahr in die Nachrichten und ins Fernsehen zu kommen.
Deshalb ist diese ganze Verfahren zum Unwort des Jahres eine anti-aufklärerische Sache. Dass es dieses Jahr den Gutmenschen getroffen hat, hat mich natürlich gefreut.
(Schreibtisch, 16. I. 16:) Gutmensch war schon vor ein paar Jahren als zweiter Sieger dabei. Man könnte darüber nachdenken, wieso so ein Wort so eine unglaubliche Karriere gemacht hat. Es muss so etwas wie ein soziales Faktum des Gutmenschentums geben. Aber es mit dieser PR-Geschichte "Unwort des Jahres" zu verbinden, ist eigentlich unwürdig.
Trifft die Bezeichnung Gutmenschen vielleicht die Jury selber?
Ich habe am Dienstag beim RBB einen kleinen Dreiminutenkommentar zu diesem Gutmenschenkram gemacht und da war das genau meine Pointe. Sie entlarven sich selber als das, was sie zu stigmatisieren vorgeben, nämlich als naive, dümmliche Gutmenschen.
Wobei die Kritik sich ja gegen die Rechten richtet, die das Wort benutzen.
Ja, ich benutze das Wort seit vielen Jahren nicht mehr, weil mir das unangenehm wäre, mit so einem Wort, das von links kam und auch am Anfang so wahrgenommen wurde, ...
Der dezidiert linke Tiamat Verlag von Klaus Bittermann hat zwei Sammelbände dazu herausgebracht, ich habe mich auch selber immer als linksliberal bezeichnet, dieses Wort ist tatsächlich irgendwann Ende der 90er Jahre erkennbar von der Rechten gekapert worden.
Mir ist das zum ersten mal sehr unangenehm aufgefallen, als die Freiheitlichen in Österreich, Haider und Konsorten, die haben das Wort erkennbar strategisch benutzt, um die politischen Gegner damit zu verhöhnen. So war das von mir nicht gedacht.
Ich habe sogar zwei Artikel in der Frankfurter Rundschau veröffentlicht, in denen ich in scherzhafter Form darauf hinwies, dass ich diejenigen, die dieses Wort in diesem nicht von mir gedachten Sinne benutzen, zu Regresszahlung verdonnern lasse.
Seit ungefähr 15 Jahren wird das Wort vorwiegend von rechts gegen links oder liberal benutzt. Und seitdem werde ich meiner Erfindung nicht mehr so richtig froh.
Aber es bleibt dabei, es muss etwas geben, was durch dieses Wort getroffen wird und auch Trefferwirkung zeigt.
Wer hat das Wort Gutmensch erfunden?
Das ist einfach zu beantworten und das ist auch nie widerlegt worden: Das habe ich erfunden. Ich habe das lang und breit in meinem Abschiedsbeitrag im "Merkur" geschildert.
Karl-Heinz Bohrer hat einen Artikel geschrieben, darin schrieb er man sollte daran denken, ein "Wörterbuch des guten Menschen" zu verfassen, in dem bestimmte angesagte Begriffe und moralisierende Termini wie "Querdenker" und "eigensinnig" kritisch behandelt würden. Vorbild war das "Wörterbuch der Gemeinplätze" von Flaubert.
Bei Bohrer stand "Wörterbuch des guten Menschen", die Inspiration kommt von Nietzsche. Mir fiel ein: Wenn man das zusammenzieht zu dem Wort Gutmensch, klingt das irgendwie spöttischer und gemeiner.
Ich habe seine Manuskripte immer redigiert, das verändert und ihm vorgelegt. Er war übrigens nicht sehr happy darüber, aber ich konnte ihn dann bereden, so dass er sagte:
"Okay, wenn Du meinst, dann machen wir eben Wörterbuch des Gutmenschen." Mit dem Januarheft des "Merkur" 1992 war das Wort in der Welt, das war meine Tat, ich war dabei.
Es ist über den Kreis der Merkur-Leser hinaus gegangen, ein paar Schlauköpfe haben das gleich mitgekriegt. Es ist von Klaus Bittermann und Gerhard Henschel im Merkur gesehen worden und die dachten: Das ist eine wunderbare Idee, das machen wir jetzt mal!
Sie haben zwei dicke Bände "Wörterbuch des Gutmenschen" Band 1 und 2 herausgebracht. [Im ersten Querdenker] Die haben sich sehr gut verkauft und so ist das Wort tatsächlich in die Massen eingedrungen und wurde vielfach benutzt. Am Anfang von linker Seite, fünf bis acht Jahre später hat die eigentlich ja erfreulich dumme Rechte irgendwas bemerkt und hat es aufgegriffen.
Was halten Sie von dem Satz: Lieber Gutmensch genannt werden als Arschloch sein?
Das ist in jedem Fall richtig. In meinem Beitrag für den Rundfunk habe ich angemerkt, dass sich so viele Leute den Schuh anziehen, wenn sie als Gutmensch attackiert werden.
Leute, die Flüchtlingen helfen, die etwas tun und nicht nur geil darauf sind, in der Öffentlichkeit zu stehen, das sind keine Gutmenschen. Das sind gute Menschen! Das Wort Gutmensch wurde von mir erfunden, um die guten Menschen von den Wichtigtuern und öffentlichkeitsgeilen Medienleuten unterscheiden zu können.
Wenn mich jemand Gutmensch nennt, würde ich sagen: Bin ich nicht. Wenn mich jemand als guten Menschen bezeichnet, habe ich nichts dagegen. Die genannten Angeber und Wichtigtuer darf man ruhig Gutmensch nennen. Da muss sich keiner von den guten Menschen auf den Schlips getreten fühlen.
Klingt nach einem perfekten Schlusswort. Im Internet steht ja: Kurt Scheel reklamiert für sich...
Ich habe den Leuten von der Gesellschaft für deutsche Sprache schon vor 15 Jahren geschrieben, von Reklamieren könne gar keine Rede sein, sondern so sei es gewesen. Ich habe es ihnen geschildert und gesagt, ich würde sofort von meiner Geschichte zurücktreten, wenn sie mir ein Beispiel bringen könnten, dass das Wort von jemand anderem vorher benutzt worden sei.
Daraufhin schrieben sie zurück: Ja, das könnten sie, unter dem Stichwort Gutmensch hätten sie einen Eintrag, dass in den 80er Jahren in der amerikanischen Wirtschaftszeitschrift "Forbes" das Wort Gutmensch auftaucht. Das klingt ja so ungeheuer irre, dass ich wirklich erst dachte, die verarschen mich.
Dann bat ich sie um eine Kopie dieses Artikels oder der Passage aus dem Magazin "Forbes". Darauf schrieben sie zurück, sie hätten den Artikel nicht, nur die Mitteilung, dass dem so sei. Sie konnten das überhaupt nicht nachweisen! Im übrigen, schrieben sie weiter, ich solle mich nicht so haben, sie hätten meinen Namen doch erwähnt.
Die haben das für eine einfache Wichtigtuerei von mir gehalten. Die werden von öffentlichen Geldern finanziert. Sie wollten verbergen, dass sie einfach kaltblütig gelogen haben. Sie können das nicht nachweisen!
Wir haben das blutige Messer mit den Fingerabdrücken von Herrn Scheel. Dann sage ich: Zeigt es uns! Nee, wir haben nur eine Karteikarte, auf der steht, dass wir das blutige Messer haben. Das Messer haben wir leider nicht. (lacht) Ist das nicht irre?
Ich bin froh, dass ich zumindest im kleinen Rahmen der Berliner Zeitung der Wahrheit zum Siege verhelfen kann.
Nein, das kann man nicht. Ich verfolge das nun seit mehr als 20 Jahren. Ich habe selber an vielen Stellen von der taz über die Frankfurter Rundschau und Die Zeit und im Merkur die Geschichte ausführlich erzählt. Ich habe eine Menge Leute, die behauptet haben, das Wort sei schon früher aufgetaucht, bei Goebbels und so, angeschrieben und sie gefragt, wo das steht und wo sie das her haben. Ich habe nie eine überzeugende Antwort bekommen.
Das bewirkt dann nur, dass irgendwo steht: "Scheel deklariert sich zum Schöpfer", oder "Scheel reklamiert die Urheberschaft". Dass nachweisbar falsche Geschichten erzählt werden, liegt auch daran, dass sich die Sprachwissenschaft nicht gerne vorstellt, dass Neologismen von einer Person erfunden werden. Das ist auch nicht die Regel, normalerweise sind das andere Prozesse. [Fellini...]
Durchdringen kann man in diesem Fall nicht mit der Wahrheit, die eigentlich ganz einfach ist.
Wie steht es mit den Belegen aus dem 19. Jahrhundert?
In einem Artikel in "Der Welt" wurde die pädagogische Schrift "Briefe an eine Jungfrau über die Hauptgegenstände der Ästhetik" von Christian Oeser von 1859 genannt, ich habe mir das Buch für teuer Geld antiquarisch besorgt und es von vorn bis hinten gelesen, aber ich habe es nicht gefunden, es tut mir leid.
Ich würde 1000 Euro wetten, dass der Journalist, es ist einer der besseren, nicht verifiziert hat. Das hat ihm irgendein befreundeter Germanist erzählt, ja, das habe er da.
1000 Euro für den, der mir das Wort Gutmensch in einem Buch aus dem 19. Jahrhundert zeigt.
Ich hätte es für möglich gehalten.
Es gibt bisher keinen Beleg, dass das Wort vor 1992 irgendwo in gedruckter Form auftaucht. Ein Beleg wäre für mich ein überzeugender Beweis und ich würde sofort die Schnauze halten. Das hat noch keiner gezeigt, einer schreibt vom andern ab. Dass die Gesellschaft für deutsche Sprache die Frechheit hat, zu sagen, sie könnten das nicht belegen, aber ich sollte es ihnen glauben. Das sind Wissenschaftler! Nochmal: Öffentliche Gelder! Und die sagen: Unsere Arbeit machen? Wir sind doch nicht verrückt!
Eigentlich ist das ein kleiner Skandal, aber egal. Ich habe mich immer bemüht, nicht zu ärgerlich zu werden. Ich nehme das zur Kenntnis und versuche, es mir wegzugrinsen.
Das ist die richtige Einstellung und es gibt bestimmt eine ausgleichende Gerechtigkeit.
Die Gesellschaft für deutsche Sprache hatte Schiss, sich vor mir lächerlich zu machen. Es hätte sie ja nichts gekostet zu mir zu sagen: Entschuldigung, hier haben wir schlampig gearbeitet, tut uns leid! Wir formulieren das anders um. Aber nee, die dachten wohl: Dieser Fuzzi vom Merkur spielt sich auf, macht hier den dicken Max, dem werden wir mal schön Bescheid sagen, wer hier das Sagen hat!
Wer die Sprache bestimmt, das bestimmt die Gesellschaft für deutsche Sprache.
Es ist komisch, dass das in einer Demokratie möglich ist. Wenn ich einen Sekretär hätte, dem würde ich sagen: Okay, und wenn es einen Monat dauert, flieg nach New York und geh in die Bibliothek und kopiere das Forbes Magazin!
Danke für die besten Auskünfte zum Thema, die man ohne Bargeld bekommen kann.
Es ist ungefähr so, als würden Sie den lieben Gott fragen: Wie wars eigentlich genau am dritten Tag der Schöpfung? Da ist Gott ein guter Ansprechpartner.
Scheel hat überall nachgeschlagen, sich die jeweils angeführten Werke gekauft, nirgends ließ sich das Wort "Gutmensch" finden. Inzwischen hat er eine Belohnung von € 1000,- ausgesetzt für einen Beleg für das Wort vor 1992.
Es wäre sehr überraschend, wenn sich dieses Geld jemand verdienen kann.
Sofa: Scheel musste den Autor mühsam überzeugen, dass die Verkürzung Gutmensch noch prägnanter sei.
Denn die Scherzidee des Wörterbuchs... wurde im Verlag Tiamat Wirklichkeit...
Lisa trifft zuerst ein, das erste mal seit Irland sieht sie bei mir fern, also nach einem Dreivierteljahr.
Abendessen mit den Goldtöchtern ist bescheiden, Reis mit Soße.
(Schreibtisch, 17. I. 16:) Auf dem Küchentisch kommt das Schmelfeuer Indoor zum Einsatz, das ich hier in der Lottum gefunden habe:
"Der Schmelztigel erinnert an alte Tiegelformen, klassisch, klar und gleichzietig zweckbetont. Der Alu-Brenner steht in einer eingearbeiten Vertiefung mit Keramiktiegel. In seinem Inneren befindet sich ein mit Messingdraht umwickeltes, längsgerichtetes Glasfaserbündel, das als Dauerdocht dient. Dieser Docht verbrennt nicht und dient an den Spitzen als Katalysator zur Wachsverbrennung."
Sofa: Kucken "Dune - Der Wüstenplanet" (USA 1984), wie lange haben wir das nicht mehr gemacht, einfach zusammen einen Film kucken? Von der Hülle der hier in der Lottum gefundenen DVD hatte ich unerträglichen Schund erwartet, es ist aber eher ein Klassiker des Genres von David Lynch und für ihn recht stringent. Es geht um die bewusstseinserweiternde Droge Spice, mit der man durch Raumfaltung auch mit Überlichtgeschwindigkeit durchs All reisen kann. Aliens mit Augenbrauen wie Martin Walser, Kapitän Picard, Jürgen Prochnow und Sting spielen mit.
nachmagazin über das Schwimmbadverbot gegen Flüchtlinge bei Bonn. Flüchtlinge, Flüchtlinge, Flüchtlinge. Der Landshuter Landrat mit seiner Flüchtlingsfahrt nach Berlin.
Die bösen Nordafrikaner in Köln.
Der Krieg in der Ukraine und die traumatisierten Soldaten, Pizza Veterano.
Schlechte Stimmung bei der Grünen Woche, Milchbauern machen dicht.
Geiselnahme in Ouagadougou.
Samstag, 16. I. 16, grau:
Natürlich, ein Frauenzimmer
(Schreibtisch, 17. I. 16:) T: Auf Hiddensee, zu einer Insel mit Hubschrauber, versuche, jemandem zu erklären, dass die Vorsilbe Kilo- "viel" bedeutet wie bei Kilometer oder Kilogramm. Auf 1000 komme ich erst später.
Bemerkenswert an Hiddensee ist, dass es eine Verbindung zum Zauberberg gibt, die Peeperkorn-Affäre.
Zum ersten mal in diesem Jahr tippe ich die Schrift des Tages aus dem Typodarium in die Ewigkeit: Es ist die Basil von Vassil Kateliev von 2014, eine sowohl traditionelle als auch innovative Antiqua. Ein Arbeitspferd, also eine Brotschrift.
Seit etlichen Jahren zum ersten Mal bin ich bei einem Arbeitseinsatz unseres Hauses dabei. Leider ist das Ziel nicht in meinem Sinne, die schöne Grünpflanze am Gitter meines französischen Fensters ist, meiner Meinung nach zu Unrecht, als Hauszerstörerin zum Tode verurteilt.
Schreibtisch: Sozial ist der Subbotnik ein großer Erfolg, ökologisch bin ich skeptisch. Wir killen den Efeu an der hinteren Hauswand, seit 1997 durfte er wachsen, nur wird er abgeholzt.
Stuckrad-Barre geht ins Hinterhaus, wen er da wohl besucht?
Gegen 11 am Rechner, weiter ans Abtippen des gestrigen Interviews.
Zwischendurch Reis mit verschiedenen Resten mit Sib.
Bis gegen 6 am Gutmenschen, dann ist der erste Entwurf fertig.
Telefonat mit Mutti, sie fliegt Ende Februar nach Kuba. So ein Rentenleben werde ich nicht haben. Andererseits hat sie auch noch den Krieg erlebt.
Zu Kurt in die Dunckerstraße 4, am Haus hängt eine Gedenktafel, die an Klaus Schlesinger erinnert, der hier aufgewachsen ist.
Aus "Der Sache mit Randow":
"Ich rede nicht von einer beliebigen Straße, ich rede von der Duncker. Natürlich muß ich, wenn ich von der Duncker rede, auch von anderen Straßen reden; etwa von der Bernauer, die man über die Danziger, die jetzt Dimitroff heißt, und die Eberswalder erreicht und deren südliche Seite zum Osten, deren nördliche zum Westen gehörte. Ich weiß nicht, wie oft wir durch die Bernauer gegangen sind, natürlich nicht öfter als durch die Duncker, aber sicherlich öfter als durch die Schliemann, die quasi um die Ecke lag. Die Bernauer war für uns so etwas wie das Tor zur Welt, zu einer anderen Welt genau genommen, denn selbstverständlich blieb die Duncker für uns der Mittelpunkt des Lebens schlechthin."
In seinen letzten Jahren wohnte er in der Umgebung der Lottum-, gelegentlich sah ich ihn auf der Straße, meist in weiblicher Begleitung. Heidi fand, dass ich genauso gehe wie er.
Jörk, Silvia, Sib und ich sitzen bei Kurt in der recht kalten Wohnung beisammen, Sekt, Weißwein, Schnaps, ich Wasser. Unterhalten uns über Moral und "Nackt unter Wölfen", recht systematisch gibt sich das Geburtstagskind die Kante.
Wer was macht und wo ist, der ist mit dem Geld seines Dealers und vor der Bundeswehr abgehauen und ward nicht mehr gesehen.
Beim Ansehen alter Fotos, unter anderem auch von "Auf hoher See" im Bergwerk circa 1997 und von der Reformbühne mit Uwe Hassel-Jahnkow im Publikum, Idee zu einer Andersrum-Party.
Meine Liebste schläft kurz nach Mitternacht, auf Vinyl läuft aus "Der Kunst der Fuge" vom Kurpfälischen Kammerorchester Contrapunctus 11, a4, Canon alla Ottava, Canon alla Duodecima in Contrapuncto alla Quinta, Canon alla Desima. Contrapuncto alla Terza und Canon per Augmentationem in Contrario Motu.
Angemessenes Geräusch für "Natürlich, ein Frauenzimmer":
Das Gong ertönt nach Castorps schwerem, von seinem Herzrasen peinlich belebten Halbschlummer. Beim Mittagessen berichtet die dümmliche Frau Stöhr von ihrer vormittäglichen Untersuchung "indem sie sich auf ungeblidete Weise zierte und die Oberlippen von ihren Hasenzähnen zurückzog."
Es wird opulent mit abscheulichem Appetit gegessen.
Eine Frau knallt die Glastür mit einer Hand "nicht so gepflegt und veredelt, wie Frauenhände in des jungen Hans Castorp gesellschaftlicher Sphäre zu sein pflegten."
Würde meinen, es müsse "Castorps" heißen, so wie "der Gong".
Blumenkohl muss sich mit dem Blauen Heinrich besprechen, sagt die Stöhr mit Genugtuung. Ich hätte einen besonderen Ausdruck für Lokus vermutet, aber es handelt sich um den 1889 von Peter Dettweiler erfundenen kobaltblauen Spucknapf, den Castorp schon auf der Fahrt zum Sanatorium sehen konnte, eine "flache, geschweifte Flasche aus blauem Glase mit einem Metallverschluß“ Joachim versteckt sie gleich wieder: "Es hat auch einen Namen bei uns, so einen Spitznamen, ganz fidel.“
Im Zimmer spuckt Castorp Blut.
Sonntag, 17. I. 16, Schnee:
Schreibtisch: T: Mit den Autoren zum Fußball in Afrika, kommen in ein Camp und haben einen Riesenhunger, aber es gibt nichts zu essen außer einigen Früchten. Zum Quartier müssen wir durch verschiedene Räume und die Küche. Ich relativiere das Ungemach: Wenn man in Afrika Fußball spielen möchte, dann muss man viel Zeit investieren, wie oft ich gewartet hätte, bis es mal klappte. Bin in Rangsdorf allein in Grünigs Haus, suche im Zimmer von Frauke nach Adressen von Restaurants. Höre jemanden und rufe, um niemanden zu überraschen "Hallo!", aber Vati ist zu Tode erschrocken, ich entschuldige mich und sage erleichtert, dass er zum Glück nicht umgefallen ist. Bärbel gibt mir Ratschläge zu den Restaurants, in dem zum Beispiel spreche man nur englisch. Mit Mutti an einem Straßentisch vor einem Restaurant in Berlin, habe einen Stadtplan ausgebreitetet, er ist riesig. Windstöße, ich sage: "Ob ich es wohl schaffe, ihn noch zusammenzufalten?" Ich muss ihn vor den Böen schützen. Einige Seiten sind schon stark abgerubbelt, dann schaffe ich es, ihn wieder in die handliche Form zu bringen.
Planen am Frühstückstisch eine Andersrum-Party für den 2. April.
Nutze den Tag des Herrn zur weiteren Vorbereitung der nächsten Sendung. Nach 12 ans Zusammenschneiden des letzten klingenden Rätsels für die Auflösung im nächsten.
Angenehm die freie Zeit, kann endlich wieder an meinen Blog.
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