Montag, 25. Januar 2016
Aufsteigende Angst. Von den beiden Großvätern und der Kahnfahrt im Zwielicht
Samstag, 23. I. 16, sonnig:
(Zug Bangkok - Chumphon, 24. I. 16:) T: Im Hof der Wohnung von Herrn Scheel, dann unterwegs im Kübeltrabbi zu Alessandra, bei der ich aber nicht angemeldet bin, auf dem Fahrrad, das ich an einer Kreuzung stehen lasse. Komme nach langer Zeit zurück zu meinem Trabbi, sehe ihn erst auf den zweiten Blick, das Verdeck ist offen und es hat geregnet. An der Autobahn in Lu, ein Trabbi von mir mit Zelt auf dem Dach steht neben anderen Autos. Jemand mokiert sich über zehn Jahre alte Rostlauben, die den Verkehr gefährdeten, besonders neue Autos, so wie seins. Überquere, das Fahrrad schiebend, die Autobahn, auf dem Seitenstreifen fahren auch Fahrräder. In einer Villa, ...(Chumphon, Thananya House, Zimmer 1, 25. I. 15:) ... zwei kräftige Männer gehen ganz hoch bis übers Oberlicht, überraschend schubst der eine den anderen daruf, der splittert hindurch und nach sehr langer Zeit hört man das Fallgeräusch. Ich schubse den zweiten, das Fallgeräusch kommt schon nach kurzer Zeit, verstecke mich hinter einer Tür, bis er die Treppe an mir vorbeigegangen ist und renne sie dann hinunter, immer fünf Stufen auf einmal nehmend und sogar auf dem Geländer hinunterrutschend. Unten stehen Freunde an dem mit Trödel vollgeladenen Trabbi, jemand bringt blau emaillierte Lampen, circa 20 Stück, bei den jeweils nur Birnen und Schirme fehlen, die man also serienmäßig ergänzen kann. Ella sieht aus wie Antje mit langem Haar, sie ist die beste Studentin im Kurs, deshalb darf sie zu einem Coltrane Concert nach Leipzig fahren. Hinter einem Tisch steht ein sehr feiner Mann mit weißem Haar, ein Frankfurter holt reservierte Karten für 5 Euro ab. Frage, ob ich auch so günstige bekommen könne, ich hätte einen Presseausweis und er gibt mir welche für 3 Euro.

Am Morgen lärmt es martialisch von den Autowerkstätten der hiesigen Gegen von Chinatown, so dass ich erst mit Ohropax wieder in den Schlaf finde, um Teil zwei, drei und vier meines trabbilastigen Traums zu träumen.
Circa kurz nach Mittag, ich hab ja keine Uhr, machen wir uns auf den Weg nach Kaffee die Charrenkrung Road Richtung Norden, wobei meine Koordination hier in Bangkok eher sehr dürftig ist.
Was ich für Autoreparaturlärm gehalten habe stellt sich als Baustelle neben dem Hotel heraus, die Bauarbeiter haben Tarnschlapphüte und genau solche Mundschutze auf.
Thunfisch-Chili im Rollbrot zum Frühstück, dann schlendern wir fotografierend durch Chinatown zum Bahnhof.
Kaufen Fahrkarten für morgen früh nach Chumphon und warten im Black Canyon Coffee auf der Balustrade auf Nicky, der immer was erlebt. Darin erinnert er mich an meinen Schwager Peter, Abenteuer reiht sich an Abenteuer und wir erfahren als erstes davon.
In einem Tuc Tuc zu dem Rohbau eines Wolkenkratzers, wo wir den Wächter bestechen wollen, uns reinzulassen, damit wir nach oben kraxeln können. Der ist sehr freundlich, lässt uns auch auf die Baustelle, aber nur um uns zu zeigen, dass die Polizei eine Alarmanlage eingebaut hat, um solche ungewünschten Besuche zu verhindern.
Gehen zum Pier N1 und fahren mit einem länglichen Schiff, dass hier die Funktion einer S-Bahn hat, aber viel weniger kostet, den Chaopraya Richtung Süden an unserem Hotel und jeder Menge Pagoden und Tempel vorbei. An der Krunthon oder Krung Thon Brücke werden wir hinausgeworfen, warum, bleibt uns unklar. Aber dadurch lernen wir eine junge Irin namens Kathrin kennen, die auch falsch gefahren ist, mit der wir dann in dem netten Lokal Water Front einkehren, trinke den Mocktail Shirley Temple aus Sprite/Grenadine/Lime und esse grünen Curry mit Rindfleisch, die Kombination in dieser kulinarischen und menschlichen Konstellation ist sehr angenehm.
Die Zufallsbekanntschaft, die in München aufgewachsen ist, entlastet sehr, Unterhaltung mit ihr erfrischend normal.
Taxi zurück, die Entscheidungsfindung dazu dauert für mein Gefühl viele Ewigkeiten. Der Fahrer weigert sich, uns noch weiter in unser Hotel zu fahren, warum, bleibt uns mangels Sprachkenntnissen schleierhaft.
Thailand, Bangkok, 768 Soi Phanurangsi, Songvad Road, River View Guest House, Zimmer 633:
Der Taxifahrer auf der Fahrt zurück vom im Norden gelegenen Water Front hatte einen genauso in Salzlöffelform gewachsenen kleinen Fingernagel, wie er, glaube ich, im Zauberberg bei Herrn Albin, dem mit den kleinen Backenbartstreifen neben den Ohren, beschrieben ist. Suche allerdings vergeblich und zum gerade in solchen Angelegenheiten gut unterrichteten Internet besteht keine Verbindung.
So verschiebe ich diese Nachforschungen, hoffentlich nicht auf den St. Nimmerleinstag. Hier aber habe ich jetzt die Kulturgepflogenheiten des Abends zu erledigen, Zahnseide muss angewendet werden.
(Chumphon, Thananya House, Zimmer 1, 25. I. 15:) Irgendwann so um 1 rum haben wir Dank des Jetlags eine Stunde gemeinsam auf dem Balkon unterm Vollmond mit Blick auf den friedlichen Chaopraya, mehr betont als gestört durch einen Schlepper mit Schubverband.
Trost dann im Bette weiter im Abschnitt "Aufsteigende Angst. Von den beiden Großvätern und der Kahnfahrt im Zwielicht", in dem die innerlich wurmstichige Madame Clawdia Chauchat, die Türen wirft, an den Nägeln kaut und Brotkugeln dreht und Castorp miteinander flirten, dass die Löcher aus dem Käse fallen. Und zwar nur, weil sie Castorp an seine homoerotische Jugendliebe erinnert und obwohl er sich eines Überlegenheitsgefühls nicht entschlagen kann. Castorp versäumt sich bei der Toilette, um wie sie zu spät zum Essen zu kommen. Als Settembrini auf Dante als Verkörperung der Tatkraft und als Bürger der Großstadt zu sprechen kommt, wähle ich die Passage als Cliffhänger zum morgigen Bahntag und durchsuche das Buch nach dem Salzlöffel.
Endlich finde ich die Stelle auf S. 159, nicht Albin ist es, sondern ein Halbstarker, ein "fünfzehn- oder sechzehnjähriger Junge, der ein Monokel eingeklemmt hatte und beim Hüsteln den langgewachsenen, salzlöffelähnlichen Nagel seines kleinen Fingers zum Munde führte, ein kapitaler Esel offenbar" und der so unvernünftig lebt, dass er Maulschellen verdient. Settembrini verkündet auf S. 217, dass Anton Schneermann von seiner Mutter wegen seiner Sauferei genau diese Ohrfeigen ausgehändigt bekommen habe und von ihr ins Tal und damit in den Tod expediert worden sei.
Wobei in dem Buch ja alle sterben.


Sonntag, 24. I. 16, Bangkok Regen, Chumphon sonnig:
Zug Bangkok - Chumphon: Der bedeckte Tag beginnt mit Hühnchen mit gebratenem Ingwer in einem ausschließlich von Backpackern frequentierten Lokal gegenüber dem Bahnhof.
Ordentlich durchgeschüttelt "like a train of this ol' SP" in dem Zug, der mit großzügiger Verspätung von einer Stunde startet.
Lese die "Bangkok Post", der von der regierenden Junta kritische Berichterstattung erlaubt wird. Zeitenwechsel in Vanatu durch Abwahl der Regierung, die aber sowieso schon wegen Korruption einsitzt. Ein tödlicher Blizzard, der das Knochenmark gefrieren lassen wird, das Monster wird Snowzilla genannt, überzieht den Osten der USA, während wir nach Süd-Thailand gondeln.
Angenehm: Kein einziger Artikel über Deutschland und die Flüchtlinge.
Entdecke die Kolumne "Postscript" von Roger Crutchley: "Es waren einmal Buchläden" und beginne eine Email an ihn:
Dear Old Crutch,
here's a little late new years greeting card. If you like you can get one on paper.
We're sitting in the rattling train from Bangkok to Chumphon, what a nice surprise to read your Postscript "Once upon a time there were bookshops". Your book "Post Script" I found before christmas in Berlin. It was in school of my younge daughter, they organised a christmas market & there I found your book & bought it for a good purpose.
It made us decide to travel to Thailand. Before my girlfriend & me wasn't sure, we only knew that we wanted to go somewhere warm. When I read across the book I asked myself: Could the author be still around? & than you're not only around, you still write your Postscript.
To introduce myself: I'm a 46 year old writer & tourist guide from Berlin, luckily enough my girlfriend payed me this voyage & here we are enjoying the country & your stories.
Now our question: Would you sign your book for us? We would love to invite you for a drink, cold or hot.
Best from Tuangwualaen
Falko
Zug Bangkok - Chumphon: Die Bahnhöfe wie gepflegte Gärten, individuell und liebevoll geschmückt, verziert und sehr sauber, stolze Schaffner mit Fähnchen.
Circa eine Stunde vor unserem Ziel werfe ich den Rechner an.
(Thananya House, Zimmer 1, 25. I. 15:) Verabschiedung von Nicky, dann surfen wir auf dem Trittbrett eines Sammeltaxis zum Strand und springen in den sehr salzigen und schön welligen Golf von Thailand.
Thailand, Chumphon, Strand von Thungwualaen, Thananya House, Zimmer 1: Essen im Mali Blues mit Blick auf einen roten Vollmond überm Meer.

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