Montag, 15. Februar 2016
Ewigkeitssuppe
Mittwoch, 27. I. 16, bedeckt:
(Suratthani, Tapee Hotel, 31. I. 16:) "Ewigkeitssuppe"
oder
Der Tag, an dem mich der buddhistische Affe angriff.
T: Radle durch Mitte und sehe einige Bücherkisten stehen und gehe sie durch, ein einer Goethe-Ausgabe von 1908 steht mit zittriger Handschrift an eine Frau gerichtet der Dank, dass sie trotz ihres hochschwangeren Zustandes gekommen ist. Unterschrift: Max Halbe 1913. Dieses Buch muss der Mensch, der dann geboren ist, sein ganzes leben aufbewahrt haben. Sehe noch sehr gute Bücher zur Berliner Geschichte, die ich schon zu Hase habe und kann unter Aufbietung sämtlicher Willenskräfte widerstehen, sie mitzunehmen. Hole Karl Naukauf von einem Plattenbau ab, er ist als alter Mann geschminkt und verkleidet, einen 70jährigen sollte er spielen. Im Nebenraum hat Bernd Oeljeschläger eine Ladenausstellung, es stellt sich heraus, dass sie sich kennen, Bernd hat sogar Songs von karl auf einem Stick, die er eben noch gut hätte gebrauchen können. Die Plattenbauten in Mauernähe sind von außen liebevoll gestaltet, Plakate und Collagen, ein Block ist entkernt, so dass eine riesige Mehrzweckhalle entstanden ist. Hier wollte bei Mauerfall niemand wohnen, so dass viel leer stand.

Erwachen im Nanaburi Hotel in Chumpon, das in der Mehrheit von Thais frequentiert wird.
Schrift des Tages ist die verspielte Hägtor von Pierre Sebastian Wieland von 2013, die eine kalligrafische Federschrift nachahmt.
Zum Frühstück gehen wir aber ins Fame, wo ich auch einen Motorroller miete. Bin zuerst etwas verwirrt, weil der Scooter keine Kupplung hat, aber die braucht er auch nicht, wenn man den Gang einlegt, passiert noch gar nichts, erst wenn man Gas gibt, fährt er los.
Nach einer Probefahrt fühle ich mich der Technik und dem Linksverkehr gewachsen und wir kommen auch problemlos die 30 Kilometer gen Norden durch Pathio und zum Affenkloster, zwei Kilometer dahinter.
Am Tempel provoziere ich einen der Schlankaffen, indem ich die Banane, mit der ich ihn füttern will, festhalte, damit Sib uns beide aufs Bild bekommt. Das hätte ich besser sein gelassen, denn damit habe ich nicht gerechnet, dass der Heilige Affe in dem buddhistischen Kloster mir Hast-Du-nicht-gesehen! wütend auf den Kopf springt und kratzt. Hoffentlich ist mir das eine Lehre! Es handelt sich um einen Südlichen Brillenlangur (Trachypithecus obscurus), einen Primaten aus der Gruppe der Schlankaffen (Presbytini). (A?)
Immerhin kann Sib ein verwackeltes Bild davon schießen und die weitere Fütterung verläuft ohne Zwischenfälle.
Eine friedliche Stunde im Kloster an den Felshöhlen, Hunde, Affen, Vögel, Glocken und Schellen sowie Verkehrslärm von der Hauptstraße. Läute die Tempelglocken und hoffe, es bedeutet nicht Freibier fürs ganze Kloster. Die Mönche hier machen sich nicht tot und lassen ansonsten den Herrgott einen guten Mann sein.
Um mir die Augen nicht noch mehr zu entzünden als von der Hinfahrt, kaufe ich in Pathio eine Sonnenbrille, denn auch die verschiedenen Einschläge von Insekten und Steinchen im Gesicht kamen immer näher. (Sofa 15. II. 16:) Es handelt sich um eine Leon von Eyewear, 199 Baht und UV SURE!
"UV400 Protection MODEL IN USA"
30 Kilometer vom Kloster Wat Khow Jedee von Pathio zurück an der Küste nach Chumpon, aber erst landen wir in einer zauberhaften Hafenstadt namens Pak Nam, im Wasser auf Stelzen stehend mit dünnen Betonstegen dazwischen. Wir lassen den Roller stehen und wandern zum Hafen, blaue Glasteigtaschen mit zäher Nusscreme-Füllung.
Fast im Dunkeln zurück.
Dorade im Salzmantel auf dem Nachtmarkt, ein Gedicht!
Danach im U-Coffee in der Kromlung Road ein grüner Tee nach Cappuccino-Art fein aufgeschäumt, ein cremiger, unbeschreiblicher Genuss.
Nachdem ich Kommentare zum Foto von dem Affenangriff gelikt und auch einige E-Post beantwortet sowie geduscht habe, nach Mitternacht weiter im fünften Kapitel, "Ewigkeitssuppe und plötzliche Klarheit":
Der nun bettlägerige Castorp liegt ausgerechnet im Totenbett der Amerikanerin und wer-weiß-wem noch alles. Vetter Ziemßen berichtet ihm von Dr. Krokowskis Vortrag, in dem dieser die Liebe mit der Einführung von Morphium und Kokain verglichen habe. Damit ist Mann nahe bei Burroughs "Love is the strongest drug".

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Freitag, 29. Januar 2016
Die magische Sieben im Zauberberg
Dienstag, 26. I. 16, stürmisch & bedeckt:
Chumphon, Nanaburi Hotel: T: Treffe mich mit dem Präsidenten der USA oder bin es selber im Erdgeschoss eines Hochhauses. Ein Attentat auf ihn ist geplant, die Täter bohren von unten ein Loch, durch das sie schießen wollen.

Schrift von heute ist die Sindelar von Stefan Willerstorfer, 1914, eine zeitgemäße und platzsparende Brotschrift mit robusten Serifen.
Nähern uns der hiesigen Zeitzone und schaffen es, schon gegen 10 aufzustehen. Gebratener Reis mit Ananas zum Frühstück.
Im Sammeltaxi vom Strand nach Chumphon eine schnatternde Gruppe Engländer, deren Haut von ihren Körpern herunterlappt.
Das erste Hotel gibts nicht mehr, das zweite ist voll, das dritte eine Müllkippe.
Chumphon, Coffee Bar 99: Hier trinken wir unseren besten Cappuccino in Thailand, so far, und ich tippe weiter Notizen für den Zauberblog ab.
Chumphon, Nanaburi Hotel: Das vierte ist wunderbar, ein hauptsächlich von Thais frequentiertes Haus mit dem schönen Namen Nanaburi.
Laufen durch die Stadt, Mopeds sind ausgebucht, außerdem hat inzwischen das Affenkloster zu. Ölmassage in einem Geschäft, dessen brauner Spitz ein rosa Hemd trägt.
Zur Markthalle, in der kaum noch etwas geöffnet ist. Eine schmale Brücke über den Taphao in das Kloster Wat Subannimit. Dass die buddhistischen Mönche hier so viel rauchen im Gegensatz zu den normalen Thailändern.
Über die Mueang Chumphon- und Phorramin Mankha Road, durch die Markthalle, die inzwischen hauptsächlich von Ratten bevölkert ist.
Der Nachtmarkt enttäuschend, nur eher hässliche Klamotten. Das traumhafte Essen hier an jeder Ecke, Dessert, ins Hotel.
Aktualisiere den Zauberblog und finde eine phänomenale Seite zum Thema:
http://home.arcor.de/amitl/zauberbszenenNeu.htm
Ein Impressum finde ich nicht, wer hat sich diese Fleißarbeit nur gemacht?
Erfahre von der Seite viel über die magische Zahl 7 im Zauberberg, der aus 7 Kapiteln besteht und an dem Thomas Mann 7 Jahre geschrieben hat:
1907 beginnt Castorps Fahrt nach Davos, 7 Jahre bleibt er im Sanatorium, 7 Minuten muss man Fieber messen, 7 Monate wird er dagewesen sein, wenn es in der Faschingsnacht passiert. Da bin ich gespannt, wahrscheinlich Sex! Madame Chauchat hat Zimmer 7, 7 Tische sind im Speisesaal, im 7. Kapitel wird Peeperkorn auftauchen, auch auf Gerhard Hauptmann bin ich in froher Erwartung. Der Name Settem-brini. Am 7. Tag seines Aufenthalts wird Onkel James Tienappel "Fersengeld" geben.
Etwas absurd finde ich die Zahlenmagie, wenn dann noch erwähnt wird, dass die Quersumme von Castorps Zimmernummer genauso 7 ergibt wie die der Anzahl der Abschnitte des Romans, dass Castorp im 7. Abschnitt des 6. Kapitels in Schneegefahr gerät und dass folgende Namen 7 Buchstaben haben: Behrens, Castorp, Clawdia, Joachim, Ziemßen. Man könnte mit entsprechender Geduld auch noch alle anderen Wörter mit 7 Buchstaben aufzählen, aber ich habe dazu keine Lust.
Ähnliche Auflistungen wird man zweifellos auch mit den meisten anderen Zahlen anstellen können.
Erfahre von meiner Liebsten aus dem Badezimmer, dass die Rechten sich darüber beschweren, dass sie immer gleich in die rechte Ecke gestellt werden, nur weil sie mal was Rechtes sagen. Recht so!
Dass für den iranischen Präsidenten, der zu Besuch im Vatikan ist, die ganzen nackten Statuen der greisen Päpste verhüllt werden müssen. Auch gibt es keinen Wein zum Abendbrot, da muss Franziskus also vorglühen.
Auf die Nerven geht mir hier inzwischen das Fehlen einer eigenen Uhr, habe keine Lust mehr, Sib andauernd nach der Zeit zu fragen.

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Dienstag, 26. Januar 2016
Das Thermometer
(Chumphon, Coffee Bar 99, 26. I. 16:) Die LED-Lampe am Haupt meiner Liebsten erleuchtet uns beiden die Lektüre, ihr "Wer den Wind sät" von Michael Lüders, mir den "Zauberberg" und darin den Abschnitt "Das Thermometer". Castorp will gleich abreisen, aber er zweifelt, ob er es über sich gewinnen könne, seinen Vetter Joachim zurückzulassen. Settembrini sei ein Carbonaro, weil er die hiesige Lebenslage die horizontale nenne:
"Namentlich am Abend fand er sie ansprechend, wenn neben einem auf dem Tischchen das Lämpchen glühte und man, warm in den Decken, die wieder schmeckende Maria zwischen den Lippen und im Genuß aller schwer bestimmbaren Vorzüge des hiesigen Liegestuhltypus, mit freilich eisiger Nasenspitze und ein Buch - es war immer noch "Ocean steamships" - in den freilich arg verklammten, rotangelaufenen Händen, durch die Bogen der Loggia über das dunkelnde, mit hier zerstreuten, dort dich zusammentretenden Lichtern geschmückte Tal hinblickte, aus welchem fast jeden Abend und wenigstens eine Stunde lang Musik herauftönte, angenehm, abgedämpfte, vertraut melodische Klänge: Opernfragmente waren es, Stücke aus "Carmen", aus dem "Troubadour" oder dem "Freischütz", wohlgebaute, zügige Walzer sodann, Märsche, bei denen man hochgemut den Kopf hin und her wandte, und muntere Mazurken."
Ein weiterer Beweis für die Richtigkeit von Mark Twains Einschätzung von dem deutschen Professor, der in seinen Satz springt und nach Äonen am anderen Ufer auftaucht mit einem Verbum im Munde.
(Chumphon, Nanaburi Hotel, 26. I. 16:) Köstlich Manns Beschreibung des Fräulein von Mylendonk "Frau Oberin" mit ihrem schiefen Froschmund und dem Gerstenkorn. Sie verkauft Castorp das titelgebende Messgerät und er stellt 37,6° Fieber fest. Joachim nennt ihn einen Konfusionsrat bevor sie in den von Milch weiß schimmernden Speisesaal gehen. Dort löst die Neuigkeit größte Heiterkeit aus. Hofrat Behrens erkundigt sich nach der "Befindität" und gefragt, ob er ihn untersuchen würde: "M. w. m. F.! Machen wir mit Vergnügen!" Für Castorp hät es sich bei der Diagnose seiner Schwindsucht in Grenzen.

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