Samstag, 9. Januar 2016
Neckerei. Viatikum. Unterbrochene Heiterkeit
Donnerstag, 7. I. 16, bedeckt:
(Schreibtisch, 8. I. 16:) Meine heutige to-do-Liste mit Prioritäten:
-Jobcenter Schreiben erledigen A!
-Mail v. Manfred & Telefonat Martina!
-Gutschein für Gabi B!
-Mark Twain nächstes Kapitel & Struktur B!
-Einkaufen Brot & Eier A!
-Gutmensch C
-Arzttermin A!
-bei Kulturdings (Maria) bewerben B!
-Wohnung vermieten A!

Erst heute hört der Schnitt am linken Daumen auf zu suppen.
Begegne in der Saarbrücker vor der Orthopädie-Praxis Jakob, der bei dem Schnee lieber zu Fuß unterwegs ist. Nach dem Arztbesuch muss ich zu unserem gemeinsamen Steuerbüro.
Bin pünktlich um 9 bei Dr. Katrin Senst, Fachärztin für Orhopädie. Hoffen wir, dass sie niemanden umsenst.
Im Wartezimmer läuft wartezimmer tv "...gesundes Fernsehen!" Ein junger Mann:
"Bin ich zu spät für Akut?" Nein, ist er nicht.
Ich kann Castorps Frühstück forsetzen in dem Hospital, in dem er beifällt wahr nimmt, dass man das erste Frühstück als ernste Mahlzeit behandelt. Er entscheidet sich für Miclhreis mit Zucker und Zimt und sieht ein hässliches englisches Fräulein, die rundlich geschriebene Briefe liest und dazu blutfarbenen Tee trinkt. Ein viel passenderes Bild, als schnöde Hagebutte. Eine "Nähterin".
Begegnung mit Dr. Krokowski, bei dem eine kritische Spannung des Mundes erkennen lässt, dass er sein zu Hofrat Behrens untergordnetes Verhältnis als wunderlich empfindet. Ich würde sagen: Eine schauspielerische Herausforderung, wenn das mal jemand genauso darstellen müsste.
Um 10 Uhr sind alle elf Stühle besetzt, der Berliner Kurier mir gegenüber von einer Frau gehalten, titelt: "Die Bibber Berliner von Karow".
Viertel nach 10 bin ich mit dem Zauberfrühstück fertig und es folgt "Neckerei. Viatikum. Unterbrochene Heiterkeit". Castorp besitzt ein automobilledernes Zigarren-Etui und einen Taschenzündapparat.
Praxis Senst: Kurz nach 11 werde ich in Zimmer zwei gerufen. ...
(Schreibtisch, 8. I. 16:) Zum Steuerbüro, von dort mit dem Ordner 2015 zum verfluchten Arbeitsamt. Die Dame am Empfang hat keinen Schimmer, ob die Tabellen reichen oder wirklich der Ordner mit den Original-Belegen gebraucht wird. Zum Kotzen und wenn ich nicht ohne das Aufstocker-Geld auf die Straße fliegen würde, dann würde ich den ganzen Verein zum Mond schießen.
In der Kantine des Finanzamtes spricht mich Frau Schmidt von meiner Maßnahme an: Viel Ärger habe sie wegen meiner Bewerbungsaktivitätenliste bekommen.
"Das tut mir leid."
Asiatische Gemüsepfanne, die ungefähr so asiatisch ist wie Martin Luther.
Und zumindest nach Cappuccino und Panacotta noch eine Seite Zauberberg, gleich werde ich im nächsten Wartezimmer mehr Zeit haben.
Lese über das Sterbesakrament Viatikum und die Todesangst einer Patientin davor.
Kurz vor 2 bin ich im Haus des Schmerzzentrums, viele Jahre bis vor wenigen Monaten war hier meine Zahnärztin, aber ich hatte das Gefühl von gravierenden Fehlern und völliger Unfähigkeit, sie sah einfach nichts. Nun zu einem nur nach dem ort per Zufall ausgesuchter Chirurg.
"Stellen Sie sich nicht so an!" werden auf dem Zauberberg Sterbende angefahren, die dabei zu viel Theater machen.
"Satana", schreibe versehentlich "Santana". Castorp und sein Vetter begegnen dem medisierenden Literaten Settembrini, dessen spöttische Vertiefung und Kräuselung eines Mundwinkels zu Geistesklarheit und Wachsamkeit anhält und den vom Lachen trunkenen Castorp ernüchtert. So einen Mundwinkel müsste man haben!
Der Italiener berichtet mit Worten "wie neuschaffen" von Prof. Kafka.
Kann zum Chirurgen nach eigentlich recht kurzer Wartezeit.
Schreibtisch: Einen Nabelbruch habe ich, aber da müsse man nicht unbedingt was machen, und eine schwache Bauchdecke, was ich daran erkennen kann, dass sich bei mir alles so vorbeult. Aber keinen Hoden- oder Leistenbruch. Physiotherapie gegen die Zerrung und dann mal sehn.
Bei mir gegen 3, Datenpflege, schnell ins Bett, um noch eine Mütze Schlaf zu bekommen.
(Schreibtisch, 8. I. 16:) Auch auf der Fahrt zum Mehringhoftheater lese ich mit Vergnügen, auf S. 89 bin ich inzwischen und die Befürchtung, durch zu viel Bukowski-Lektüre für Thomas Mann verdorben zu sein, ist ganz unbegründet.
Mehringhof: 
Köln.
DFB, Flüchtlinge, Schäuble, Seehofer, BER, Lageso, ein Song von Manfred, der weit über die Gegenwart hinaus geht im Duett mit Helmut Schmidt und die Einsamkeit und Verzweiflung von Angela Merkel, Gauck und die Queen, Xavier Naidoo mit dem gleichen Song wie Frano Sorge bei den Brauseboys.
Lilienthal-Termin!!!
(Schreibtisch, 8. I. 16:) Im Theater schreibe ich mit Handy, in der U6 zum Naturkundemuseum dagegen mit Hand, vielmehr lese ich weiter. "Gedankenschärfe" ab Französische Straße, worin sich Joachim Siemßen eine litewkaartige Joppe anzieht.
Bis gegen 1 lese ich vor James Bond in New Orleans, aber meine Fähigkeit, vorm Fernsehen zu lesen, hat über die Jahre beängstigend nachgelassen. Trotzdem habe ich nun die ersten Seiten in der Ackerstraße durch und die Schwarte ist heute einmal mit mir vom Barnim durchs Urstromtal die Spree unterquerend zum Teltow gewandert und zurück.

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Sonntag, 3. Januar 2016
Vorsatz, 1tes & 2tes Kapitel
Samstag, 2. I. 16, grau & kalt:
(Schreibtisch, 3. I. 16:) Der deprimierenden Traum, den ich am Morgen habe, gerät in gnädige Vergessenheit, aber mit der deprimierenden Wirklichkeit gelingt mir das nicht.

Schreibtisch: Seit über einer Woche leide ich unter etwas, das sich wie Muskelkater anfühlt, aber dort unterm Bauch hatte ich es noch nie und auch nicht so lange anhaltend. Allerdings kann ich schon etwas besser antreten, laufen und schießen als in der letzten Woche.
Immerhin lenkt mich der Fußball ab, aber sofort falle ich zurück in meine hoffnungslose Stimmung.
Auch gelingt es mir nicht, einen Blog zu eröffnen.
Versuche es nach Wordpress bei Blogger.de: Have fun!
Blogger.de - http://www.blogger.de/
Duschen, das schaffe ich, und mich mit Rauschgift und "Dem Zauberberg" aufs Hochbett zu begeben.
Immerhin habe ich noch genug Selbstdisziplin, um doch nur am Fenster zu rauchen.
Trübselige Stimmung.
Jobcenter macht Ärger, die KSK hat mich rausgeworfen, bittere Armut die auch ins private ragt und zerstörerisch wirkt. Aber trotz allem habe ich gestern begonnen, "Den Zauberberg" von Thomas Mann zu lesen. Es ist mein Vorsatz für 2016 und das sollte doch zu schaffen sein.
Als Vorbild spielt Jochen Schmidts "Schmidt liest Proust" eine Rolle, aber ich werde ihm nicht zu fanatisch zu folgen suchen.
Ich habe mir die Lizensausgabe für die Deutsche Demokratische Republik vom Aufbau Verlag 1953 zugelegt.
Das Vorwort heißt "Vorsatz", der Erzähler sieht sich als raunender Beschwörer des Impferfekts, der ausführlich zu werden verspricht:
"Die sieben Tage einer Woche werden dazu nicht reichen und auch sieben Monate nicht".
Erstes Kapitel, Ankunft: Ich bin mit Hans Castorp und seiner Kroko-Handtasche unterwegs per Bahn ins Hochgebirge und meine Verzweiflung bleibt in der süddeutschen Tiefebene zurück.
Sein Vetter Joachim Ziemßen holt ihn im Ulster ab, das ist ein Mantel, wie ich ihn auch trage.
Bei seiner Ankunft im Sanatorium hört er "ein Husten ganz ohne Lust und Liebe, der nicht in richtigen Stößen geschah, sondern wie ein schauerlich kraftvolles Wühlen im Brei organischer Auflösung". Aus Selbstachtung isst er sehr viel.
Seine erste Nacht im Totenbett.
Zweites Kapitel: Der Großvater und seine Abneigung gegen Großstadt-Alfanzereien. Grimms Wörterbuch weiß zu dem ehrwürdigen, schon bei Luther belegten Wort:
"f. nequitia, vaframentum: entgröbung, studierung, verenderung, langweil und desgleichen teufels alfanzerei."
Schreibtisch: Gegen 6 schneide ich mir beim Zerkleinern einer Zwiebel in den linken Daumen und möchte am liebsten heulen. Schreie rum, auch das Essen schmeckt mir nicht.
Der schlimmste Tag des Jahres.
Bisher.

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